Die Volkswagen AG wagt 2003 den Anfang und unterstützt in der Sahelzone die Menschen im Siedlungsgebiet des Nomadenvolks der Tuareg in Mali. Die Hilfe beginnt mit dem Ausbau von Schulen und vor allem langfristigen Patenschaften, die den Unterhalt und die Funktion der Schulen garantieren sollen. Dafür stellt Volkswagen damals einen sehr großzügigen Betrag zur Verfügung. Dieser erste Ansatz der Bildungsförderung erweitert sich schnell um Projekte zur Wasserversorgung und Ernährungssicherung.
2004 wird der TAMAT e.V. gegründet, um die von der Volkswagen AG begonnenen Projekte fortzuführen. Der Automobilkonzern und seine internationalen Händler sind damals die wichtigsten Spender für den TAMAT e.V. Mit Gründung des Vereins war aber auch eines klar: Es bedarf der Überzeugung und der Entschlossenheit helfen zu wollen. Doch es erfordert ebenso Geduld und Ausdauer, um in Afrika Erfolge zu erkennen oder gar in europäischen Kategorien zu messen. Die Faktoren „Zeit“ und „Erfolg“ unterliegen in der Sahara und der Sahelzone anderen als europäischen Maßstäben. Deshalb ist der TAMAT e.V. in seiner Strategie auch die „etwas andere Hilfsorganisation“.
Der kleine aber effiziente Verein wird gegenwärtig vom Vorstandsvorsitzenden des TAMAT e.V. geleitet, von dem Afrika-Ethnologen Prof. Dr. Georg Klute (Emeritus, Universität Bayreuth). Stellvertretender Vorstand ist der Afrika-Experte Dipl. Soz. Päd. Matthias Göttenauer und die Geschäftsführung obliegt dem Fernsehjournalis-ten und Dipl. Volkswirt Joachim Schröder. – Der Name des Vereins ist übrigens von einer Akazie entliehen (TAMAT), die in der Sahelzone wurzelt. Alle Teile dieser Akazie sind verwertbar, von der Rinde zum Gerben bis zu den Blättern als Tierfutter und Medikament. Die Tuareg wissen: Wo dieser Baum wächst, ist Leben möglich, – er ist das Überlebenssymbol der Nomaden.
Ein kleiner Verein denkt in großen Zusammenhängen. Klassische Entwicklungspo-litik wurde bislang selten aus einem Guss entworfen; es mangelt meist an Konsultation und Koordination mit den Betroffenen vor Ort, denen Hilfe oft aufgestülpt wird. Technokratisch zwar akkurat konzipierte Entwicklungsprojekte zeigen sich meist blind gegenüber kulturellen, religiösen und mentalen Prägungen der betroffenen Bevölkerung.
So entarten wohlmeinende Absichten oft in Wildwuchs, unterliegen vor allem Machtambitionen im Kalkül um politischen und militärischen Einfluss. Die Erfahrung der Vergangenheit lehrt: Oft löst Entwicklungshilfe anstehende Probleme, ohne an jene zu denken, die sie durch die Problemlösung neu erzeugt. TAMAT leistet daher keine Entwicklungshilfe im klassischen Sinn, da diese oft Korruption fördert und in afrikanischen Staaten eine Entwicklung aus eigener Kraft behindert. Das bestätigen auch namhafte afrikanische Wissenschaftler und Nobelpreisträger, wie James Shikwati und Wole Soyinka.
Stattdessen leistet TAMAT gezielt und in kleinem Rahmen „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das heißt in der alltäglichen Praxis: Wir entwickeln Hilfsprojekte nur gemeinsam mit den Menschen in der Sahelzone und prüfen mit ihnen zusammen die dann zu realisierenden Maßnahmen. Im besten Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe“ setzen die Tuareg und andere Stammesangehörige in Mali und Niger dann diese Projekte weitgehend selbständig um – mit Handwerkern und Experten aus eigenen Reihen und unserer finanziellen Unterstützung. Als TAMAT e.V. tragen wir oft nur einen Teil der Gesamtkosten, denn auch die von unserer Hilfe bedachten Nomaden und Siedler selbst beteiligen sich mit Eigenleistungen an der Finanzierung der Projekte.
Und natürlich hat sich unser Verein in den vergangenen 17 Jahren seines Beste-hens auch den veränderten Umständen und Herausforderungen vor Ort angepasst. Immer mehr Nomaden wechseln in die Sesshaftigkeit und externe, teils extreme kriminelle Einflüsse, erfordern die Anpassung notwendiger Hilfsmaßnahmen. So hat auch der TAMAT e.V. in den vergangenen Jahren den Fokus seiner Aktivitäten zunehmend auf die berufliche Aus- und Fortbildung verlagert, um einer explosiv wachsenden und großteils arbeitslosen Jugend im Einsatzgebiet eine nachhaltige Alternative zu bieten.
Die Erfahrung aus vergangenen Jahren belegt: Berufsbildung im Sinne der dualen Ausbildung existiert nur dort, wo nachhaltige Projekte eine Berufsausbildung initiiert haben, wie z.B. ein Berufsbildungszentrum in Tchighozérine (Region Agadez) im Norden der Republik Niger. Die Bemühung von TAMAT e.V., dort mit einem Gewerbepark/ Handwerkerzentrum die berufliche Aus- und Fortbildung zu fördern, war sehr erfolgreich. – Das 2017 gestartete Projekt wird Ende September 2021 in die Selbstverwaltung übergeben; es finanziert und trägt sich selbst.
Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre hat unser Verein folgende Lehren gezogen:
- Nothilfe ist auf ein Minimum zu reduzieren, da sie nicht nachhaltig wirkt
- Die Zusammenarbeit verschiedener sozialer und ethnischer Gruppen kann problematisch sein und erfordert daher unsere erhöhte Aufmerksamkeit. Dennoch legen wir darauf großen Wert, da wir einen geographischen und keinen ethnischen Ansatz vertreten und wir stabilisierend wirken wollen, sowohl im Norden Malis, wie im Norden des Nachbarlandes Niger.
- Die geographische Konzentration diverser Projekte ist effektiver und nachhaltiger.
- Eine noch engere (interdisziplinäre) Verknüpfung der diversen Projekte ist anzustreben.
- Finanzieller Eigenanteil oder Eigenleistungen der Kommunen sind ein wichtiger Incentive
Der TAMAT e.V. hat bereits Mitte 2011 seine Ziele und die Zieldurchsetzung neu definiert, sowie seine Kostenstruktur überarbeitet und um zahlreiche neue Mitglieder erweitert, die entwicklungspolitische Kenntnis und Afrika-Erfahrung mitbringen. Überdacht wird die Erweiterung des Vereins um afrikanische Mitglieder aus Mali und Niger.
Die Erfolgsbilanz: TAMAT e.V. arbeitet seit 2012 in Niger mit der dortigen Nicht-Regierungs-Organisation Salver Africa in den Bereichen Schulbildung, berufliche Bildung, Gewerbeförderung, Agroforstwirtschaft und Gesundheitswesen zusammen. TAMAT e.V. hat Salver Africa im Zeitraum von Januar 2012 bis September 2021 finanziell mit insgesamt etwa 900.000 € für gemeinsame Projekte unterstützt. Zudem führt Salver Africa eine gemeinsame Projektbuchhaltung mit TAMAT und berichtet monatlich.
Die Zusammenarbeit beruht auf einer jahrzehntelangen Partnerschaft mit Mitarbeitern von Salver Africa. Der Vorstandsvorsitzende von TAMAT e.V., der Afrika-Ethnologe Prof. Dr. Georg Klute, und der Koordinator von Salver Africa, Ex-Schuldirektor Alhousseini Kourouza, kennen sich seit 1974.
Die Aufgabenverteilung zwischen den Partnern ist klar geregelt; alle Projekte wurden und werden in enger Zusammenarbeit zwischen TAMAT und Salver Africa und den jeweiligen Zielgruppen entwickelt und auf Realisierbarkeit geprüft. Nachdem die Machbarkeit festgestellt war, führten und führen die kompetenten, lokalen Partner vor Ort die Projekte eigenständig durch; mit Handwerkern und Fachleuten aus den eigenen Reihen und mit finanzieller Hilfe sowie Management-Unterstüt-zung von TAMAT in Form von mindestens zwei gemeinsamen Workshops zur fortlaufenden Qualifizierung im Rahmen des Capacity Building.